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Wie kriegen Sie junge Leute in Klavierkonzerte, James Rhodes?

Der britische Pianist und Bach-Fanatiker spielt am 4.6. im Trui Teatre

Wie kriegen Sie junge Leute in Klavierkonzerte, James Rhodes?Foto: Richard Ansett

Es sind neun Sätze, die auf dem Buchrücken des spanischen Ausgabe von James Rhodes´ Autobiografie „Instrumental" stehen. Aber sie rütteln auf: „Ich wurde mit sechs Jahren vergewaltigt. Ich wurde in die geschlossene Psychia­trie gebracht. Ich war drogenabhängig und Alkoholiker. Ich habe fünf Mal versucht, mich umzubringen. Ich habe das Sorgerecht für meinen Sohn verloren. Aber ich werde nicht darüber sprechen. Ich werde über Musik sprechen. Weil Bach mir das Leben gerettet hat. Und ich liebe das Leben."

Ein wenig falsch ist das schon. Denn natürlich schreibt der britische Pianist über all die schrecklichen Erlebnisse. Die jahrelangen Vergewaltigungen durch den Sportlehrer, die keiner mitbekommen haben wollte. Die psychischen und physischen Folgeschäden. Aber eben auch über die Musik und wie ein Mann, der zwischenzeitlich zehn Jahre lang kein Klavier anrührt und doch mit Mitte 30 zu einem der bekanntesten Klassikpianisten der Welt wird. Außer Mark Olivers Everetts „Glückstage in der Hölle" gibt es wohl kaum eine ähnlich ­packende und ergreifende Musiker-Autobiografie aus den vergangenen Jahren.

Klassik nur für Reiche?

Am Sonntag (4.6.) spielt James Rhodes im Trui Teatre sein erstes Konzert auf Mallorca. Es dürfte alles andere als ein gewöhnliches klassisches Klavierkonzert werden. Denn dieser eher schüchterne 42-Jährige hat seine persönliche Revolution gegen die Regeln der Klassikszene gestartet, die in seinen Augen „von pompösen und veralteten Idioten" geleitet wird, „denen es eine perverse Befriedigung bereitet zu garantieren, dass die Musik das Privileg einer Elite ist, die in ihren Augen reich genug ist, um sie zu verstehen". So zumindest umschreibt er das Pro­blem der Klassik in „Instrumental".Rhodes hält nicht viel davon, dass Publikum und Künstler die Klappe halten müssen. Er möchte seine Leidenschaft für die Musik teilen, er erzählt von den Komponisten und den Musikern, er interagiert mit den Konzertbesuchern. Dass er zudem in Jeans auftritt und gerne flucht, dürfte Puristen aufregen. Doch Rhodes erreicht mit dieser Einstellung das, was der Klassik weitgehend abgeht: Er erreicht das junge Publikum, das sonst nie in ein Klavierkonzert gehen würde.

Das Klassik-Establishment ignoriert den Musiker, der seit 2009 fünf Alben veröffentlicht hat, weitgehend. „Ich nehme an, dass sie mittlerweile wissen, wer ich bin. Aber es ist mir auch egal, was sie denken", sagt er der MZ in einem Telefoninterview.

Über 75.000 verkaufter Bücher

Das Konzert auf Mallorca ist nur eines von vielen in Spanien. ­Rhodes hat eine besondere Beziehung zu dem Land. „Spanier sind sehr offen. Es scheint, dass sie keine großen Vorurteile gegenüber klassischer Musik haben." Seine Autobiografie dürfte ein wichtiger Faktor für den Erfolg seiner Konzerte in Spanien haben. Über 75.000 Exemplare von „Instrumental" wurden hierzulande verkauft. Ein Riesenerfolg für den Independent-Verlag Blackie Books, der eine der ersten Übersetzungen herausbrachte.

Die Liebe ist gegenseitig. Sosehr, dass Rhodes im kommenden Monat sogar nach Madrid zieht. „Ich möchte mindestens sechs Monate bleiben, vielleicht ein Jahr. Es ist eine fantastische Stadt", sagt Rhodes. „Und ganz ehrlich: Nach dem Brexit konnte ich nicht in Großbritannien bleiben."

"Ich danke Gott für Angela Merkel"

Rhodes lacht fast verzweifelt auf die Frage, ob die Gesellschaft verfällt. „Was zum Teufel ist in dieser Welt los? Ich danke Gott für Angela Merkel und Justin Trudeau, sie sind fast die Einzigen, die vernünftige Politik machen." Besonders sorgt er sich um Menschen mit psychischen Problemen. „Wenn die Welt brennt, wird sich niemand mehr die Zeit nehmen, um sich um Menschen mit psychischen Problemen zu kümmern. Wir stehen dahingehend vor großen Herausforderungen."

Seine eigenen Dämonen werden auch Teil seines dritten Buches (sein zweites ist eine Anleitung zum Klavierspielen) sein. „Es handelt von meinem Touralltag und von den Ländern, die ich besuche. Aber im Fokus stehen auch immer wieder meine psychischen Probleme. Vor allem geht es um die Frage: Wie wollen wir in dieser Welt leben?"

Eine Sache macht ihm bei seinen Erfahrungen auf Tour aber immer noch Hoffnung: „Egal in welchem Land man ist, ob in Europa oder Südamerika, reagieren die Menschen immer mit der gleichen Leidenschaft und Begeisterung auf die Musik."

James Rhodes, Trui Teatre, 4.6., 20 Uhr, Karten 29 bis 39 Euro, James ­Rhodes gibt am 3.6. um 12 Uhr eine Autogrammstunde am Stand des Corte Inglés

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